Buon giorno, bona gente – guten Tag, gute Leute!
Mit diesem Gruß, den Bruder Francesco gebrauchte, wenn er auf seiner Wanderschaft durch die Städte Italiens unterwegs war, möchte auch ich mich an Sie alle wenden, die Sie dieses große Jubiläum vorbereitet haben, mitgestalten und mitfeiern. Ein solch ökumenisches Gedenken der evangelischen Barfüßergemeinde mit den Franziskanerinnen von Maria Stern (gegr. 1258) und Dillingen (gegr. 1241), den beiden ältesten Frauengemeinschaften im franziskanischen Geist sowie Brüdern und Schwestern der Franziskanischen Familie, das hätte dem Heiligen sicher gefallen!
Er blieb ja beim Pfingstkapitel 1221 Gott sei Dank auch hartnäckig und gab den Augsburgern, die einige Jahr vorher sehr ungastlich waren, eine zweite Chance: Im Oktober desselben Jahres kam eine Gruppe von Brüdern über die Alpen, die sich nicht nur mit dem Bischof, meinem Vorgänger, Siegfried (III.) von Rechberg (reg. 1208-1227) verständigen konnten, sondern sich unter seinem ausdrücklichen Schutz ansiedeln und predigen durften. Bald wirkten die Gefolgsleute des Poverello von Assisi segensreich mitten unter den Handwerkern im Lechviertel und darüber hinaus. So prägten im Laufe der Jahrhunderte verschiedene Zweige der Franziskanischen Familie unsere Stadt. Bis heute ist dieses unverwechselbare Charisma der Freude in der Nachfolge Christi in den „Sternfrauen“ und allen, die in Kindergarten, Schule und Fachakademie buchstäblich durch ihre Hände gingen, lebendig.
Gerade unter jungen Menschen findet ein Leben in Ehrfurcht vor der Schöpfung und Geschwisterlichkeit immer mehr Zuspruch. Das lässt die müde gewordene und so renovierungsbedürftige Mutter Kirche wieder Hoffnung schöpfen – wie damals: Denn „das erste Werk, das der selige Franziskus in Angriff nimmt, (…) ist“, so sein Biograph Thomas von Celano, „dass er Gott ein Haus baut. Er will es nicht neu aufbauen, sondern das altbrüchige richtet er wieder her, das altehrwürdige bessert er aus. Das Fundament reißt er nicht heraus, sondern baut auf ihm weiter, wodurch er, wenn auch wohl unbewusst, das Vorrecht immer für Christus wahrt: Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, nämlich Christus Jesus“ (1 C 18).
Alle christlichen Kirchen stehen in der Tradition der Israeliten, die ihrem Gott in die Wüste folgen, um das verheißene Land zu erreichen. Als Volk Gottes sind wir unterwegs und dürfen mit dem Psalmisten beten: „Selig die Menschen, die Kraft finden in Dir, die Pilgerwege im Herzen haben“ (Ps 84,6). Daher möchte ich in diesem Jubiläumsjahr all jenen, die die Spiritualität von Franziskus und Klara, von Jakoba de Settesoli, die wie später Elisabeth von Thüringen als Ehefrau und Mutter zur Patronin des Dritten Ordens wurde - und so vieler bekannter und unbekannter Vorbilder im Glauben als Kraftquelle für ihr Leben entdeckt haben, den Aaronitischen Segen (Num 6, 22-27) zusprechen. Ihn schätzte Franziskus so sehr, dass er ihn für Bruder Leo eigens aufschrieb:
Der Herr segne dich und behüte dich.
Er zeige dir sein Angesicht und erbarme sich deiner.
Er wende dir sein Antlitz zu und schenke dir Frieden.
+ Bertram
Dr. Bertram Meier, Bischof von Augsburg